Gartengenuss mit Großstadtflair – Urban Gardening, Kleingarten & Co.

Einen Garten in der Stadt zu besitzen, kommt schon einem Sechser im Lotto gleich. So schön die kurzen Wege, das reiche kulturelle Angebot und die vielen öffentlichen Verkehrsmittel auch sind – in den meisten Städten ist einfach zu wenig Platz. Deshalb verfügen die wenigsten Menschen in Städten über einen Garten. Die meisten glauben, ihre einzige Möglichkeit, sich ein wenig ins Grüne zu setzen, bestünde darin, einen öffentlichen Park aufzusuchen. Hier kann man natürlich aber nichts anpflanzen, kaum Privatsphäre genießen und die Gartenstühle muss man auch wieder mitnehmen. Was viele nicht wissen: Urban Gardening, Kleingartenvereine und andere Modelle bieten die Möglichkeit, auch in der Stadt in den Genuss eines Gartens zu kommen.

Urban Gardening – vorhandene Flächen sinnvoll nutzen

Urban Gardening bedeutet übersetzt nichts anderes als „städtisches Gärtnern“. Das bringt das Prinzip auch schon ziemlich treffend auf den Punkt: Städtische Flächen werden dafür genutzt, kleine Gärten anzulegen und zu unterhalten. Diese werden häufig als Nutzgärten verwendet, das heißt, dass sie dem Anbau von lokalem Obst und Gemüse dienen. Flächen, auf denen diese Gärten entstehen, können beinahe überall vorhanden sein. Es gibt Gärten auf Hochhausdächern, in Häuserschluchten, in Verkehrskreiseln und auf brachliegenden Baugrundstücken. Die Gärten werden meist als Gemeinschaftsgärten mehrerer Parteien betrieben, selten kümmert sich ein Eigentümer allein um die Fläche. Der Clou vieler Urban Gardening Projekte: Die Gärten werden mobil angelegt. Da sich für die genutzte Fläche immer wieder Änderungen in den Nutzungsverträgen ergeben können, müssen die Bepflanzungen auch schnell abtransportierbar sein. Es kann immer passieren, dass Hochhäuser abgerissen werden oder brachliegendes Land doch bebaut wird. Also bedienen sich die Urban Gardeners einfachen Hochbeeten, um ihr Obst und Gemüse anzubauen. Dies hat zwei Vorteile. Zum einen kann ein Urban Gardening Projekt so auf nahezu jeder Fläche und zu jeder Zeit entstehen. Zum anderen wird so unbelastete Erde für die Pflanzen verwendet. Die Erde in Städten ist häufig durch Abgase und andere Umweltgifte so verseucht, dass es schwierig ist, dort noch Pflanzen anzubauen. Für die Hochbeete wird also frischer, unbelasteter Mutterboden verwendet, in dem das Angebaute optimal wachsen kann.

TIPP: Sie können Ihr ganz eigenes Urban Gardening Projekt anstoßen. Halten Sie einfach nach verfügbaren Flächen in Ihrer Nähe Ausschau und erkundigen Sie sich bei der Stadtverwaltung nach den notwendigen Genehmigungen.

Ursprung und Sinn des Urban Gardening

Der Ursprung des Urban Gardening geht weit zurück, es handelt sich nicht um ein modernes Phänomen. Bereits im 19. Jahrhundert wurden in Frankreich, Deutschland, Kanada und den USA verstärkt urbane Gärten bewirtschaftet, damit die städtische Bevölkerung mit frischem Obst und Gemüse versorgt werden konnte. Grund hierfür waren die mangelhaften Transportmöglichkeiten für frische Waren, die es verhinderten, dass die Lebensmittel von weit entfernten Bauernhöfen beschafft werden konnten. Vor allem in Kriegszeiten litten die Einwohner in den Städten unter diesen Transportengpässen und waren auf den eigenen Anbau umso mehr angewiesen.

In der heutigen Zeit verfolgt Urban Gardening vor allem einen ökologisch nachhaltigen Ansatz. Wenn das Obst und Gemüse für den eigenen Verzehr direkt vor Ort angebaut werden kann, entfällt die Notwendigkeit des Transports aus den ländlichen Gebieten. Dadurch wird der Ausstoß von Kohlendioxid verringert. Darüber hinaus steigt das Bewusstsein der Bevölkerung für die Wichtigkeit lokalen Anbaus und einer nachhaltigen Flächennutzung. In anderen Teilen der Welt wird Urban Gardening außerdem dazu genutzt, der ärmeren Bevölkerung eine Möglichkeit zur Selbstversorgung zu bieten. So können sie die angebauten Lebensmittel nicht nur selbst verzehren, sondern durch ihren Verkauf auch ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Urban Gardening als sozialer Katalysator

Für viele Aktive in den Urban Gardening Verbänden in Deutschland steht aber nicht nur die Ernte des Obst und Gemüses im Fokus, sondern auch die gemeinschaftliche Nutzung der Flächen. Vor allem in Ballungsräumen, die viele Menschen in Lebensphasen beherbergen, in denen sie viel arbeiten, kommt das soziale Leben oft zu kurz. Einander kennen zu lernen, langfristige Bekanntschaften und Freundschaften zu schließen und auch außerhalb des Büros ein soziales Leben zu führen, fällt in Großstädten vielen Menschen schwer. Urban Gardening Projekte werden hier zum Katalysator, der auch ungewöhnliche und sonst kaum zustande kommende Beziehungen anstößt.

TIPP: Wer in seiner Stadt nach einem Urban Gardening Projekt sucht, kann nicht nur das Internet bemühen. Häufig sind die kommunalen Verwaltungen genau über die Standorte der Projekte informiert und können Kontakte vermitteln.

Kleingarten mieten – das persönliche Fleckchen Grün

Eine eher konservativere Form, in der Stadt zu wohnen und dennoch in den Genuss eines Gartens zu kommen, ist der Besitz beziehungsweise die Pacht einer Kleingartenparzelle. Landläufig sind Kleingärten auch als Schrebergärten bekannt. Im Regelfall gehört eine größere Anlage mit verschiedenen Parzellen einem Kleingartenverein, der die einzelnen Gärten dann verpachtet. Die sich in den Parzellen befindenden Lauben – wie die kleinen Häuser meist genannt werden – müssen häufig gegen eine Ablöse vom Vorpächter übernommen werden und gehen damit in den festen Besitz des neuen Pächters über.

TIPP: Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, einen Kleingarten zu pachten, dann kalkulieren Sie die Kosten für die Übernahme einer Laube immer mit ein, sonst droht eine böse Überraschung.

Das klassische Bild, das die meisten von einer Schrebergärten-Kolonie haben, ist eher spießig. Man stellt sich vor, wie alte Herren über schnurgerade Gartenwege an den Gärten vorbei schlendern, entlang an millimetergenau gestutzten Hecken. Hält ein Pächter die Mittagsruhe nicht ein oder überschreitet der Rasen die in der Satzung vorgegebene Länge, hagelt es direkt Verwarnungen. Obwohl das Bild sicherlich in vielen kleineren Städten nicht ganz falsch ist, hat es sich doch mittlerweile etwas verändert. Vor allem in Großstädten werden die Pächter immer jünger. Meist sind es Familien mit Kindern, die eine Parzelle nach der anderen übernehmen und so das Geschehen in den Kleingartenverbänden nachhaltig prägen. Sie suchen nach einem Ort, an dem sie sich erholen und ihre Kinder im Grünen spielen können.

Begleitet von vielen Regeln und Auflagen – der Kleingarten

Obgleich sich das Bild in den Kleingärten immer mehr wandelt, empfinden vor allem viele junge Pächter die Gemeinschaften immer noch als eher konservativ und rückständig. Die Nutzung des Kleingartens kann dabei völlig unterschiedlich sein. Während viele Rentner die Parzelle eher als Rückzugsort betrachten und dementsprechend viel Wert auf dekorative Bepflanzungen legen, nutzen gerade Familien die Kleingärten als Spielfläche oder für den Anbau von eigenem Obst und Gemüse. Nicht selten kommt es über die Nutzung und die sich daraus ergebenden Umstände – wie Lärm durch spielende Kinder – zu Auseinandersetzungen unter den Pächtern.

Ebenso wird häufig kritisiert, dass die Pacht eines Kleingartens von sehr vielen Beschränkungen und Auflagen begleitet wird. Neben der Höhe der Hecke und der Auswahl erlaubter oder nicht erlaubter Bepflanzungen ist auch die soziale Nutzung sehr eingeschränkt. Eine kleine Badelandschaft für die Kinder darf laut des Bundeskleingartengesetzes beispielweise nicht aufgebaut werden, auch Grillfeiern und gesellige Runden dürfen nur in begrenztem Rahmen durchgeführt werden. Was in der Theorie die gegenseitige Rücksichtnahme fördern soll, führt allerdings in der Praxis oft zu Einschränkungen. Deshalb ist die Pacht eines Kleingartens vor allem für Familien meist nur eine Übergangslösung.

In der Stadt leben und Grün genießen

Ob man sich nun einem Urban Gardening Projekt anschließt oder sich dafür entscheidet, einen Kleingarten zu mieten, ist wohl vor allem Mentalitätssache. Fest steht hauptsächlich, dass ein Leben in der Stadt nicht bedeuten muss, auf das persönliche Fleckchen Grün völlig verzichten zu müssen. Bei allen Modellen gibt es Argumente dafür und dagegen, was aber alle gemeinsam haben ist, dass sie das Leben in der Stadt um einiges lebenswerter machen.

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